Elon Musk kauft Twitter – und nun? (Ist die Freedom of speech in Gefahr?)
88,4 Millionen Follower, ein egozentrisches Auftreten und nun auch noch Besitzer des Kurznachrichtendienstes Twitter – völlig überraschend kauft Unternehmer Elon Musk das Netzwerk für 44 Milliarden Dollar. Eine neue Entwicklung steht Twitter nun bevor, doch niemand kann die Konsequenzen absehen. Musk selbst verspricht die freiheitlichen Rechte zu wahren. Doch das birgt die Gefahr, dass auch Hassreden ihren Weg in die Tweets der User finden. Musks Kritiker werden nicht müde zu erwähnen, dass mit der Übernahme der digitale Stammtisch bewusst gesteuert werden könnte.
Viele Unternehmen sind auf Twitter aktiv – was bedeutet die Übernahme für sie? Wir beleuchten den Sensations-Coup und schauen, wie die Zukunft von Twitter mit Elon Musk aussehen könnte.
Twitterübernahme bringt die Aktien ins Strudeln
Bis Ende des Jahres soll die Übernahme des Kurznachrichtendienstes abgeschlossen sein. Für 44 Milliarden Dollar wechselt Twitter den Besitzer und das scheint nicht jedem zu gefallen. Auch wenn der Verwaltungsrat dem bereits zugestimmt hat, müssen nun noch die Aktionäre aktiv werden und ihre Anteile an den Tech-Milliardär verkaufen. Für viele User sind die Absichten sehr diffus. Denn auf dem Papier hat Musk doch eigentlich mehr, als er benötigt: eine Weltraumfirma, ein wissenschaftliches Unternehmen zur Entwicklung von Gehirn-Implantaten und Tesla.
Was sind die Interessen von Elon Musk, sich jetzt auch noch einen der am meisten genutzten Nachrichtendienste zu sichern und dafür sogar ein großes Paket seiner Tesla-Aktien zur verkaufen? Ist es Spielerei? Möchte er noch größeren wirtschaftlichen Einfluss? Will Musk politische Meinungen zu seinem Gunsten verbreiten? Werden überhaupt noch ausreichend Transparenz und Freiheit vorhanden sein? Aktuell lassen sich die Fragen noch nicht fundiert beantworten, doch eines ist sicher – die Börse reagierte bereits sehr empfindlich. Die Aktie rauschte um etwa 4 Prozent nach unten.
Elon Musk polarisiert auf Twitter
Auch wenn mittlerweile viele Tweets kursieren, die Elon Musk als den neuen Messias der Social-Media-Welt hinstellen und die den Spaß in den Vordergrund rücken – so sind die Bedenken doch groß. Eine Kaufoption auf Coca-Cola, um sie mit Kokain zu versehen, oder der inständige Wunsch, McDonalds aufzukaufen, um alle Eismaschinen wieder funktionstüchtig zu machen, erhalten Interaktionen in riesiger Höhe. Trotz aller Belustigung – Elon Musk wird mit dem Kauf erfolgreichster Social Media-Unternehmer, noch vor Mark Zuckerberg.
Bereits seit einigen Jahren stoßen seine Tweets nicht unbedingt auf grenzenlose Zustimmung. So spielte er kürzlich Covid-19 und die daraus resultierenden Maßnahmen herunter oder äußerte sich diskriminierend gegenüber einem der thailändischen Höhlentaucher, der eine Gruppe Jungen vor dem Tod rettete.
Verändert sich Social Media mit Elon Musk?
Sein größtes Anliegen jedoch ist es, die von Twitter eingeführten Filter und Regeln zu bekämpfen. Warnhinweise für Hassreden oder Fake News hält er für einen schweren Eingriff in die Meinungsfreiheit, ebenso den Bann des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump. Auch wenn Elon Musk immer einer der lautesten Kritiker des großspurigen Ex-Machthabers war. Dieser beglückwünschte in der Vergangenheit häufig die innovativen Errungenschaften. Ist das ein erster Hinweis darauf, dass @realDonaldTrump vielleicht doch wieder zu Twitter zurückkehrt, auch wenn Trump es vehement dementiert?
Inzwischen gibt es eine große Bewegung von Followern, welche die Meinungsfreiheit in Gefahr sehen. Viele User haben sogar ihre Accounts deaktiviert. Das macht sich vor allem bei Profilen mit einer großen Follower-Anzahl bemerkbar. So verlor Barack Obama Abonnenten im sechsstelligen Bereich. Rechtspopulisten konnten jedoch Zuwächse verzeichnen. Welche Ursachen die Abgänge und Zuwächse haben, will Twitter nun untersuchen und versichert weiterhin, dass die Maßnahmen gegen Spam beibehalten werden.
Unmittelbar nach der Bekanntgabe des Twitterkaufes kündigte Elon Musk an, die Einschränkungen für die Content-Veröffentlichungen zu lockern. Alle Äußerungen, die im gesetzlichen Rahmen liegen, sollen erlaubt sein. Doch gerade diese Restriktionen waren ein jahrelanger Kampf, um Falschinformationen und Hassreden zu unterbinden – nun könnte dem wieder Tür und Tor geöffnet werden.
Folgenschwere Übernahme von Twitter für Unternehmen
Die zweite Betrachtungsweise sind die wirtschaftlichen Folgen. Zum einen hat Elon Musk mit dem Kauf von Twitter nun eine noch nicht definierbare Macht, über Erfolg und Misserfolg zu entscheiden – zum anderen ist er bei Tesla für seine Hire-and-Fire-Mentalität bekannt, sodass sich das auch auf die Arbeitswelt des Kurznachrichtendienstes auswirken könnte. Mitarbeiter werden für einen Job eingestellt, ist er erledigt, ist es einfacher, neue Arbeitskräfte einzusetzen. Wertschätzung scheint ihm fremd zu sein. Ob Elon Musk sich dieser Strukturen auch bei Twitter bedient, bleibt abzuwarten.
Das etwas andere Verständnis der Meinungsfreiheit des neuen Twitter-Besitzers könnte auch zu einem Bashing der Unternehmen untereinander führen. Wenn es falsche Aussagen in Zukunft deutlich einfacher haben sollten, an die Öffentlichkeit zu gelangen, ist es ein leichteres Spiel, um gegen direkte Konkurrenten vorzugehen – auch abweichend vom eigentlichen Wahrheitsgehalt. Der aktuelle Tweet über Coca-Cola dient als erstes Indiz. Mehr als vier Millionen Likes bekam Elon Musk dafür – die zugrundeliegende Aussage stammt vom Ende des 19. Jahrhunderts, als Kokain noch legal gegen Kopfschmerzen eingesetzt wurde. Der Hersteller hat diesen Inhaltsstoff jedoch immer bestritten.
Warum wir dafür brennen
Meinungsfreiheit ist unser höchstes Gut und soll es auch bleiben, jedoch muss der Wahrheitsgehalt einer Aussage zutreffend sein. Wenn auf Twitter zukünftig nur gefährliches Halbwissen auf 280 Zeichen durch die Welt geschickt wird, sind die Folgen bisher kaum abschätzbar. Die Meinungsplattform liegt nun in der Hand einer einzigen Person, die den Wahrheitsbegriff als sehr dehnbar ansieht. Elon Musk ist nicht nur der reichste Mann der Welt, sondern wird mit der Übernahme auch der medial einflussreichste Mann. Die Kombination birgt sehr viel Macht und wird damit brandgefährlich. Seine libertären Ideologien widersetzen sich häufig den festgelegten Regeln der Gemeinschaft. Er ist derjenige, der entscheiden kann, ob unliebsame oder kritische Meinungen auf Twitter zukünftig nichts zu suchen haben. Elon Musk handelt nach der Maxime, dass schlussendlich der Markt alles regelt – doch sieht es stark danach aus, dass machtvolle Menschen noch mehr davon bekommen und schwächere aus dem System gedrängt werden. Es besteht die Gefahr, dass ohne die notwendige Moderation von Tweets schützenswerte Menschen Online-Hetze ausgesetzt bleiben.
Bisher sind das alles Spekulationen. Elon Musk selbst hat es in der Hand, ein anderes Bild von sich zu zeichnen. Oder die Twitter-Aktionäre verhindern die feindliche Übernahme, indem sie nicht die veranschlagten 54,20 Dollar von Musk annehmen. Ganz gleich, ob es tatsächlich zu diesem Schritt kommt, Elon Musk hat aktuell die volle Aufmerksamkeit.
Damm 17,
38100 Braunschweig